Schielerkrankungen

24.08.2022
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Schielen ist eine Fehlstellung beider Augen zueinander. Schielen oder auch Strabismus kann sich in unterschiedlichen Arten äussern.

Was versteht man unter „Schielen“?

Der Augapfel (Bulbus oculi) wird normalerweise durch ein fein austariertes Gleichgewicht der ihn umgebenden Augenmuskeln immer genau in der Position gehalten, die gerade benötigt wird, um das Geschehen um uns herum bestmöglich wahrzunehmen. Bei einer Schielerkrankung (Strabismus) ist dieses Gleichgewicht gestört – entweder durch eine defekte oder fehlende motorische Koordination der Augenmuskulatur eines Auges oder beider Augen. Auch eine fehlerhafte neuronale Verschaltung im Gehirn – der „Schaltzentrale“ – kann zu abnormalen Abweichungen oder Bewegungen der Augen führen. Schielerkrankungen treten in unterschiedlicher Ausprägung zu Tage. Manche Formen sind auf den ersten Blick ersichtlich, andere lassen sich nur mithilfe spezieller Tests feststellen.

Schielerkrankungen werden in verschiedene Gruppen eingeteilt. Eine wichtige Unterscheidung zu Beginn ist die Einteilung in primäre (angeborene) und sekundäre (erworbene) Formen. Ein sekundärer Strabismus wird durch eine andere Erkrankung ausgelöst, nicht selten durch eine andere ophthalmologische Erkrankung. Des Weiteren definiert sich die individuelle Schielerkrankung über den Schielwinkel und die Schielrichtung: Driftet das Auge nach aussen ab, spricht man von einer Exotropie (Aussenschielen), driftet es hingegen nach innen, von einer Esotropie (Innenschielen). Variiert die Höhe, dann handelt es sich um eine Vertikaltropie (Höhenschielen).

Eine Sonderform davon ist das Begleitschielen, bei welchem der Schielwinkel in alle Richtungen etwa gleich gross ist.
Je nachdem wie ausgeprägt der Strabismus ist, wird dieser in einen manifesten oder latenten Strabismus unterteilt. Auf diese beiden Formen soll im Folgenden etwas genauer eingegangen werden.

Manifester Strabismus

Der manifeste Strabismus (Heterotropie) ist jene Strabismus-Form, bei der das Schielen zu jedem Zeitpunkt vorliegt. Die ständige Abweichung des betroffenen Auges kann nicht durch das andere gesunde Auge kompensiert werden, wie dies normalerweise der Fall wäre. Denn eigentlich befinden sich beide Augen in ständiger Koordination miteinander, welche durch die Verschaltung verschiedener In- und Outputs im Gehirn gewährleistet wird. Dadurch entsteht im Normalfall eine aufeinander abgestimmte Reaktion beider Augen und somit eine normale Augenbewegung und -stellung. Bei einer Schielerkrankung ist dieser Ausgleich jedoch je nach Ausmass und Grösse des Schielwinkels nur noch begrenzt oder gar nicht mehr möglich. Zu den häufigsten Arten eines solchen manifesten Strabismus gehören die folgenden:

  • Kongenitale Esotropie (frühkindliches Schielsyndrom)

    Das Schielen tritt häufig bereits vor dem 6. Lebensmonat auf und ist nach aktuellen Erkenntnissen der Forschung auf eine zentrale, im Gehirn angesiedelte Entwicklungsstörung des binokularen Sehens zurückzuführen. Diese Form des Strabismus tritt meist als Innenschielen mit einem latenten Nystagmus auf (rhythmische, unkontrollierte Augenbewegungen). In einer Kreuzfixation wechseln sich beide Augen in der Führung ab. Je weiter sich diese Schielerkrankung jedoch entwickelt – vor allem bei vollständig abgeschlossener Entwicklung des visuellen Systems mit etwa 3 Jahren – desto grösser wird das Risiko der Manifestation einer Amblyopie. Dabei handelt es sich um eine „Schwachsichtigkeit“ des schwächeren Auges, welches nach und nach verkümmert. Aufgrund der Kreuzfixation und des dadurch beeinträchtigten binokularen Sehens ist auch das räumliche Sehen häufig gar nicht oder nur schwach entwickelt. Aus diesem Grund werden die meisten Kinder mit einer derartigen Schielerkrankung bereits im Vorschulalter operiert. Eine vollständige Heilung der Erkrankung ist zwar nicht möglich, häufig kann aber eine deutliche Verbesserung erzielt werden.

  • Mikrostrabismus

    Diese einseitige Form des Schielens zeichnet sich durch einen nur sehr kleinen Schielwinkel (< 5°) aus, kombiniert mit einer abnormen retinalen Korrespondenz (Reaktion der Netzhaut). Der Mikrostrabismus betrifft ca. 15 % aller schielenden Kinder und wird aufgrund des sehr kleinen Schielwinkels oft erst sehr spät (meist nach Schuleintritt) entdeckt und diagnostiziert. Bis dahin konnten sich zwar viele Komponenten des Sehvermögens mehr oder weniger ausreichend entwickeln, meist hat sich aber bereits eine Amblyopie manifestiert, die nur noch schwer beeinflusst werden kann.

  • Normosensorisches Spätschielen

    Der Name „Spätschielen“ impliziert bereits, dass diese Form des manifesten Strabismus erst später, nämlich nach der Entwicklung des binokularen Sehens und somit nach einem allfälligen frühkindlichen Schielsyndrom auftritt. Diese Variante der Schielerkrankung tritt häufig relativ plötzlich auf und zeichnet sich durch das Sehen von Doppelbildern aus. Auch in diesem Fall versucht das Gehirn das betroffene Auge zugunsten des gesunden Auges zu vernachlässigen. Als Folge bildet sich eine Amblyopie aus. Um diesen Vorgang bereits in seinen Anfängen aufhalten zu können, ist eine möglichst zeitnahe ärztliche Behandlung notwendig.

Latenter Strabismus

Im Gegensatz zum manifesten Strabismus ist im Falle der latenten Form (Heterophorie) eine Kompensation des betroffenen Auges durch das gesunde Auge möglich. Diese Kompensation kann jedoch immer nur dann erfolgen, wenn das betroffene Auge sich auch tatsächlich am gesunden Auge orientieren kann. Fällt dieser Input weg – zum Beispiel weil das gesunde Auge abgedeckt wird (Cover-Test) – dann driftet das betroffene Auge plötzlich sichtbar ab. Dieses Prinzip wird zur Diagnose und Untersuchung bei Verdacht auf einen latenten Strabismus in Form eines Cover-Tests genutzt.

Der latente Strabismus ist deutlich häufiger als das manifeste Pendant und betrifft 70 % aller Menschen. Das sind all jene, deren Sehachsen nicht perfekt parallel sind. In den meisten Fällen führt dies aufgrund von nur minimalen Abweichungen jedoch weder zu Symptomen noch zu Einschränkungen im Alltag. Oft wird eine solch milde Form des latenten Strabismus nie diagnostiziert. Am häufigsten ist dabei eine Abweichung des schielenden Auges nach aussen (Exotropie).

Andere mögliche Ursachen

Neben den oben beschrieben Formen der Schielerkrankungen gibt es auch noch zahlreiche weitere Phänomene, die einem Strabismus teilweise zum Verwechseln ähnlich sehen:

  • „Scheinbares Schielen“ von Säuglingen und Kleinkindern

    Da bei solch kleinen Kindern der Nasenrücken noch verbreitert ist, ist mehr vom Sklera-Weiss des Auges zu sehen. Dies erweckt den Eindruck, die Augen würden schief stehen. Es handelt sich dabei jedoch um eine optische Täuschung.

  • Lähmungsschielen (inkonkominantes Schielen)

    Während die Augenmuskeln beim „normalen“ Strabismus zwar unterschiedlich stark sind, sind sie dennoch funktionstüchtig. Im Falle des Lähmungsschielens hingegen kommt es zu einer Lähmung eines Muskels oder mehrerer Muskeln, wodurch der Augapfel ebenfalls abdriftet. Charakteristisch für diese Problematik ist eine kompensatorische Kopfhaltung. Der Kopf wird schräg gehalten, um der Lähmung und den dadurch entstehenden Doppelbildern entgegenzuwirken.

  • Sekundäres Begleitschielen

    Der Begriff „sekundär“ deutet auf eine erworbene Störung hin. Ein sekundärer Strabismus kann beispielsweise im Rahmen eines Retinoblastoms, bei einer Frühgeborenenretinopathie, einer Netzhautablösung (Amotio retinae), bei Augenliderkrankungen oder einer anderen Erkrankung der lichtbrechenden Strukturen auftreten.

Symptome und Therapie

Die Therapie eines Strabismus richtet sich vor allem nach dessen Ausprägung und Ausmass, dem Alter der betroffenen Person und der Ursache für die Schielerkrankung. Insbesondere die milde Form wird häufig zu spät entdeckt, um noch korrigierend in die Augenentwicklung eingreifen zu können. Hinweisende Symptome sind hauptsächlich Kopfschmerzen und eine schnelle Ermüdbarkeit bei Refraktionstätigkeit des Auges (Scharfstellen). Doppelbilder sind kein sicheres Zeichen für eine Schielerkrankung, obwohl sie im Rahmen einer solchen nicht selten auftreten. Sie sind aber auch bei Übermüdung und unter Alkoholeinfluss typische Begleiterscheinungen.

Manchmal reicht bereits eine geringfügige Korrektur, um diese Beschwerden zu lindern. Häufig wird dies durch den Einsatz von Prismengläsern erzielt. Nur selten ist ein operativer Eingriff indiziert. Grundsätzlich gilt: Je jünger der Patient ist, desto grössere Chancen auf eine nachhaltige Korrektur bestehen. Falls Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind nicht richtig sieht oder es sich bei einfach mit den Augen zu erfassenden Dingen schwer tut – zögern Sie nicht und melden Sie sich bei uns. Gerne werfen unsere Spezialisten am Schaffhauserplatz einen genaueren Blick darauf. Dasselbe gilt natürlich auch für Sie, falls Sie unter unerklärlichen Kopfschmerzen, schneller Ermüdbarkeit der Augen oder Doppelbildern leiden. Wir verhelfen Ihnen gerne wieder zum nötigen Durchblick.

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